Boj lebt mit einem Geheimnis, über das er gern reden würde. Aber sein Mund scheint wie zugeklebt:
Boj hat eine tolle Familie, aber manchmal ergreift BÖSEMANN Besitz von Papa. Damit das nicht passiert, ist es ganz wichtig nicht zu viel zu reden, immer artig zu sein, nicht im Weg zu stehen und genau zu beobachten, was sich in Papas Verhalten, Stimmlage oder Aussehen ändert. Manchmal ist es besser nicht zu atmen.
Wenn Boj oder Mama irgendetwas fasch machen, dann steigt Bösemann in Papa empor. In seinen Atem, in sein Gesicht, in seinen Nacken, seine Hände und plötzlich ist er überall und nichts kann ihn aufhalten, weder Mama, Papa, noch Tür oder Wand. Dann versteckt sich Boj tief in sich selbst und will nicht sehen, hören oder wissen, dass Bösemann größer ist als alles und vor Wut raucht und brennt.
Hinterher ist es ganz still. Dann weint Papa und verspricht nie wieder wütend zu sein. Aber das glaubt Boj ihm nicht mehr. Mama sagt, ihnen gehe es gut, aber Boj geht es ganz und gar nicht gut. Was kann er nur tun?
Warum dieses Buch?
BÖSEMANN ist eindringlich in Wort und Bild und widmet sich poetisch, sehr kindgerecht und teils abstrakt dem Tabuthema der häuslichen Gewalt. Betroffene Kinder leiden stark; ganz egal, ob die Gewalt sie direkt oder indirekt als mitwissende Geheimnisträger betrifft. Dieses Buch hilft ihnen dabei Worte für sich und ihre Lebenssituation zu finden. Es ist somit sowohl therapeutisch als auch psychoedukativ wertvoll für Kinder, kann aber auch gut genutzt werden, um betroffene Eltern für das Erleben ihres Kindes und die Auswirkungen eigener Handlugen und Denkmuster zu sensibilisieren.
In BÖSEMANN werden viele wichtige Punkte angesprochen, ohne dass sie sich den Lesenden aufdrängen:
Papa ist ein geliebtes Vorbild, aber unfähig seine Wut zu kontrollieren. Mit Mama kann Boj nicht reden, sie ist mehrfach abhängig von Bojs Vater und meint alles sei gut. Mama schützt Boj, aber sie schützt nur seinen Körper, nicht seine Seele. Sie erkennt sein Leid nicht, da ihre Aufmerksamkeit an ihren Mann gebunden ist. Boj möchte sich jemandem anvertrauen, aber scheint dazu unfähig, also schreibt er drei einfache Sätze, die ein fiktiver König zu lesen bekommt und als wohlwollender Machthaber entscheidet, was nun zu tun ist. Was für ein wundervolles Bild um daran z.B. die Macht von Ärzt*innen, Psycholog*innen oder Vertreter*innen des staatlichen Wächteramts zu verdeutlichen.
Sehr wertvoll ist, dass Papa und der gewalttätige Anteil von Bojs Vater als von einander getrennte Anteile eines Ganzen dargestellt werden. So wird es betroffenen Kindern möglich, sowohl loyal als auch kritisch auf die eigenen Eltern zu schauen. Bojs Vater wird vom König mitgenommen zu einem Ort, an dem er lernt all seine Anteile zu kennen, zu verstehen und zu integrieren. Die Illustration unterstützt dies, indem Bojs Papa mit mehreren Anteilen seiner selbst in einem Garten sitzt.
Vom Deutschen Ärztinnenbund e.V. wurde BÖSEMANN in seinem Erscheinungsjahr (2019) mit dem Kinder- und Jugendbuchpreis „Die Silberne Feder“ ausgezeichnet.
(Sabrina)
Verlag: NordSüd Verlag
Erscheinungsjahr: 2019
Seitenzahl: 48 Seiten
ISBN: 978-3-314-10481-7
Altersempfehlung des Verlags: ab 5 Jahren