Qualitätskriterien

Ein qualitativ hochwertiges Bilderbuch soll Kinder und Erwachsene beschenken: Mit Freude, Begeisterung, neuen Ideen und Zuversicht. Es berührt, es begeistert und es macht neugierig! Bilderbücher sollen stärken und auf spielerische Weise hilfreich und erhebend sein. Nur so können sie fesseln und ihren Zauber entfalten. Die gemeinsam Lesenden tauchen in eine Welt ein, die für sie beide real wird, in der sie Abenteuer bestehen, Rätsel lösen, ihre Beziehung zueinander stärken und viele Gelegenheiten erhalten, miteinander zu reden, weiter zu träumen und zu philosophieren. So erweitern sich im Kind sprachliche und viele weitere Kompetenzbereiche.  

Bei der Auswahl der hier vorgestellten Bilderbücher spielt für uns die Betrachtung folgender Merkmale eine wichtige Rolle: 

Die Sprache 

Nicht erst die Bilder eines Bilderbuches beflügeln unsere Fantasie, auch die Sprache ruft bei den Lesenden Bilder hervor und erzeugt eine emotionale Wirkung. Bildhafte Sprache lässt Texte anschaulicher und lebendiger werden, erzeugt ein Gefühl von Leichtigkeit und kann auch mit den Lesenden spielen oder der Realität mit ironischer Distanz begegnen. Eine lebendige, ausgeschmückte Sprache, vielleicht geprägt durch Lautmalerei und Reime, Wortspiele und Metaphern, ist hierbei besonders wertvoll für die Sprachentwicklung von Kindern. Sprache regt zum Sprechen an, zum Denken und zum Sinnieren…  

Die Bildebene      

Die Bildebene hat einen narrativen Charakter. Bilder fordern zum genauen Hinsehen auf, sind ansprechend und erzeugen Neugier. Sie stehen in einer Einheit zum Text, erweitern, präzisieren oder untermalen ihn. Bilder visualisieren Stimmungen, Atmosphären und Gefühle, so dass sich die Lesenden in die Geschichte hineinversetzen können oder sich mit den Charakteren identifizieren möchten. Differenzierte Darstellungen oder ungewohnte Perspektiven lassen die Bilder spannender und abenteuerlicher wirken. Sie beleuchten Situationen auf besondere Art und manchmal auf geheimnisvolle, witzige oder skurrile Weise. 

Die Personen  

Die Charaktere eines Bilderbuches werden glaubwürdig und lebendig dargestellt. Je authentischer sie in ihrer Mimik, Gestik und Körperhaltung gezeigt werden, desto stärker übermitteln sie Gefühle, die die Lesenden berühren. Personen dürfen widersprüchlich dargestellt werden, Entwicklungen zeigen und eine gewisse Dynamik ausstrahlen. Stereotype Charaktere hingegen stellen Vorstellungen und Klischees der Gesellschaft dar und verzerren dadurch Wirklichkeiten. Es darf Helden in einer Geschichte geben, doch sollten sie facettenreich dargestellt werden, so dass sich Kinder mit ihnen identifizieren oder von ihnen distanzieren können. 

Es ist uns wichtig, dass Vielfalt abgebildet und wertgeschätzt wird. Kinder sollen sich in ihren Lebensrealitäten in den Büchern wiederfinden und ihre Perspektiven erweitern. So sollten Menschen mit Krankheit oder Behinderung, verschiedener Herkunft oder Hautfarbe, geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung, unterschiedlicher Religion und Familienkonstellation sowie sozioökonomischen Status auch als selbstwirksam handelnde Protagonisten dargestellt sein.

Die Handlung 

Die Handlung eines Bilderbuches zeigt Möglichkeiten auf. Welche Themen werden in dem Buch dargestellt und aus welcher Perspektive? Wird an den Interessen, Erfahrungen oder Problemen der Kinder angeknüpft? Regt die Geschichte die Fantasie der Kinder an und lässt ihnen Freiraum für Wünsche und Träume? Welche Gefühle werden bei den Kindern ausgelöst? Der Inhalt darf eine gewisse Dramaturgie enthalten, Spannungsbögen und auch Wendepunkte. Auch Leerstellen kann es geben, denn sie laden zum Spekulieren und Philosophieren ein. Ein Bilderbuch kann uns auf witzige, fantastische oder skurrile Art und Weise unterhalten – aber auch Konflikte oder Probleme ansprechen. 

Die Welthaltigkeit  

Bilderbücher eröffnen Perspektiven, die sich auf die äußeren Lebenswelten und auf die inneren Problematiken der Lesenden beziehen. Sie entziehen sich eindeutiger Zuschreibungen und Klischees, zeigen sich widerständig gegenüber Mustern und gewohnten Weltbildern. So wird zum einen das Geschehen in der Welt erfahrbar gemacht und zugleich das Bekannte und Beständige in einen neuen Zusammenhang gestellt – vielleicht sogar verfremdet?  

Die Textintention 

Texte können vielfach zum Nachdenken anregen, für Irritationen sorgen oder die Neugier der Lesenden wecken. Bilderbücher öffnen Erfahrungswelten, die sich Kinder auf eigenständige Weise erschließen können. So lernen Kinder immer besser, sich in ihrer materiellen, sozialen und kulturellen Umwelt zu orientieren und sich in ihr handelnd zu behaupten. Bilderbücher können Kinder für soziale oder psychische Prozesse sensibilisieren und ihnen helfen, sich selbst zu finden und ihre eigene Identität zu entwickeln. 

Als Quellen zur Erstellung dieser Auflistung nutzten wir neben eigenen Gedanken vor allem:

  • Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien der GEW (2019): Zur Beurteilung von Bilderbüchern.
  • Bardola, N. , Hauck, S., Jandrlic. M.,  Wengler, S. (2009): Mit Bilderbüchern wächst man besser. Stuttgart: Thienemann Verlag 
  • Kain, W. (2008): Die positive Kraft der Bilderbücher.  Berlin – Düsseldorf – Mannheim: Cornelsen Verlag Scriptor GmbH & Co. KG 
  • Kuck, D. (2014): Qualitätskriterien im Bilderbuch am Beispielthema Adoption. Hamburg: Diplomica Verlag 
  • Qualitätskriterien nach Prof Dr. Hering vom Bremer Institut für Bilderbuchforschung (BIBF) 

Inspiriert wurden wir ebenfalls durch die Kriterien der Baobab Books, die Vielfaltskriterien des KIMI-Siegel, sowie die Auseinandersetzung mit Themen wie Rassismus, Ableismus u.a.

Leider erfüllen nicht immer alle hier vorgestellten Bücher diese Kriterien in vollem Umfang. Insbesondere die mangelnde Abbildung von Vielfalt ist eine große Baustelle – selbst in mehrfach ausgezeichneten Kinderbüchern. Hier gilt es ein Bewusstsein zu schaffen, daher ergänzten wir diesen Punkt bewusst im Abschnitt „Die Personen“.